Gastbeitrag von @schmerz_athletik_coach
Wie immer gilt: bei evidenzbasierten Posts und Co, kann es Sinn machen Fragen nochmal mit euren Dozenten abzusprechen, um sicher zu gehen, dass ihr in der Prüfung genau dass liefern könnt, was gefragt ist. :)
Osteoporose ist ein stiller und konsequenter Dieb, der über viele Jahre unerkannt bleibt, bis Knochenbrüche ihn schließlich ertappen. Sie ist eine Skeletterkrankung, die durch niedrige Knochenmasse und einer Verschlechterung des Knochengewebes gekennzeichnet ist. Aufgrund der immer geringeren Bewegung im Alltag bei uns Menschen, sowie der mit der im Alter ansteigenden Inzidenz osteoporotischer Frakturen, wird sie in Zukunft weiter an Bedeutung zunehmen. (Häussler et. al, 2007)
"Osteoporose ist eine Erkrankung, charakterisiert durch eine geringe Knochenmasse, einer beeinträchtigten mikroarchitektonische Knochenstruktur und einer damit verbundenen erhöhten Knochenbruchanfälligkeit." - Osteoporose-Weltkongress Kopenhagen, 1990
Besonders gefährdet sind Frauen nach den Wechseljahren, deren abnehmender Östrogenspiegel mit einem erhöhten Knochenabbau korreliert. Statistiken zeigen, dass 40% aller Frauen über 50 Jahren im Laufe ihres Lebens einen osteoporotischen Knochenbruch im Bereich der Wirbelsäule, der Unterarme oder auch der Hüfte erleiden. Durch das Entstehen von Brüchen oder Frakturen kommt es oft vor, dass die Betroffenen erheblichen Leidensdruck, Einbußen an Lebensqualität, Schmerzen und auch sehr oft mit sozialer Isolation zurechtkommen müssen. (Doherty, 2001)
Peak Bone Mass In der Medizin gilt die "peak bone mass" (PMB) als Maßstab für das Stadium der höchsten Knochenmasse bzw. Knochenmineraldichte (BMD) des Menschen. Die Zeichnung in Abbildung 1, zeigt, dass die Knochenmasse im Kindes -und Jugendalter zunächst linear und geschlechtsunabhängig wächst. Erst durch das Einwirken von Sexualhormonen ab der Adoleszenz, verdoppelt sich das Wachstum. Im Alter von 25-30 Jahren wird die PBM erreicht. Danach folgt der Abbau der Knochenmasse sowohl bei Frauen und Männern, zunächst moderat (low-turnover). Zwischen dem 40-50 Lebensjahr und dem Beginn der Menopause, fällt der Östrogenspiegel abrupt und erhöht somit den Knochenabbau rapide (high-turnover). Dieser vorübergehende erhöhte Knochenverlust wird postmenopausalen Frauen zum Verhängnis wegen der dahin gehenden Frakturgefährdung.
Wie sich die Knochenmasse entwickelt ist von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von der Calcium- und Vitamin D3- Zufuhr, einer ausreichenden Bewegung bzw. Belastung und der genetischen Veranlagung. (Schnack, 1996)
Prävention bei Osteoporose: Die Erkrankung an Osteoporose ist multifaktoriell und nicht an eine einzige Ursache gebunden. Nicht nur Östrogen hat einen Einfluss auf die sinkende BMD in postmenopausalen Frauen, sondern auch das Mineral Kalzium. Durch einen zu niedrigen Level an Kalzium in der Blutbahn wird der Körper die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, das notwendige Mineral aus den Knochen zu gewinnen, um die Muskeln, Nerven und besonders das Herz zu versorgen. Eine ausgewogene Ernährung die reich an Kalzium und Vitamin D ist, ist sehr empfehlenswert. Vitamin D, welches eher wie ein Hormon wirkt, sorgt für die Absorption und Verarbeitung von Kalzium in die Knochen. Das "Institute of Medicine" empfiehlt eine tägliche Kalziumeinnahme von 1200mg für Frauen über dem 50. Lebensjahr. Beim Vitamin D wird eine Supplementation von 600 bis 800 IU (internationale Einheiten) täglich empfohlen. Arzneimittel aus der Gruppe der Bisphosphonate werden zur Behandlung von Knochenerkrankungen verwendet. Dazu gehören Alendronat, Ibandronat, Risedronat und Zoledronsäure. Sie haben sich alle als wirksame Wirkstoffe bei der Behandlung von Osteoporose in postmenopausalen Frauen gezeigt.
Erhöhung der BMD: Die sechs Säulen der Osteoporosetherapie:
Umgang mit dem Schmerz
Medikamente
Selbsthilfe
Ernährung
Bewegung
Sturzprävention
Wir konzentrieren uns auf die letzten beiden Punkte Bewegung & Sturzprävention
Belastungsprinzipien: Für optimale Effekte auf die Knochendicht müssen folgende Punkte beim Training beachtet werden: 1. Belastung sollte dynamisch sein, nicht statisch 2. Es müssen (Mikro-) Knochendeformitäten auftreten 3. Es muss schnell angewendet werden Relativ wenig Wiederholungen sind von Nöten, um eine skelettale Antwort zu provozieren, wenn eine adäquate Intensität gegeben ist. Hierbei ist darauf zu achten, dass je nach Osteoporosegrad des Patienten an einem oder mehreren Faktoren geschraubt werden muss, um keine Überlastung/Unterforderung zu verursachen. Exercise and Sports Science Australia (ESSA) position statement on exercise prescription for the prevention and management of osteoporosis ESSA, 2016
Schweregrade und Belastungseinteilung: Der T-Score gibt dabei an wie stark die Knochendichte von der Knochendichte eines Jugendlichen abweicht. Somit teilt dieser die Patienten in den Schwere- und Ausprägungsgrad der Osteoporose ein: T-Score über -1 =Niedriges Risiko (normale BMD) Zw. -1 zu -2,5=Moderates Risiko (niedrige BMD) Weniger -2,5= Hohes Risiko (sehr niedrige BMD) Einteilung nach Knochenmineraldichte (BMD) Niedriges Risiko (Prävention) Moderates Risiko (Prävention)Hohes Risiko (Management und Prävention) ESSA, 2016
Wirksames Osteoporosetraining Drei Säulen des Osteoporosetrainings:
Gleichgewichtstraining (Sturzprophylaxe)
Krafttraining (PRT)
Impakttraining
Um ein wirksames Osteoporosetraining zu garantieren, ist es wichtig, dass der Patient nach seinem Ausprägungsgrad der BMD trainiert wird. Dies garantiert, dass er sich nicht verletzt und das skelettale System einen angemessenen Reiz hat sich anzupassen. Patienten mit hohem Risiko benötigen ein gewisses Kraftniveau im PRT, um an einem Impakttraining teilnehmen zu können. (ESSA, 2016)
1. Gleichgewichtstraining
Ein Gleichgewichtstraining ist für Osteoporosepatienten eine wichtige Säule des Trainings, um das eigene Körpergefühl und die Körperkontrolle wieder aufzubauen.
Intensität: Anspruchsvoll (sodass Balance nicht ständig gehalten werden kann)
Frequenz: 3- 4 Tage /Woche
Umfang: 30 min. variierende Übungen und Aufgaben; mind. 10 sec. pro Gleichgewichtsübung
Praxis: Übungen mit geschlossenen Augen in Nähe eines Geländers, Statische und dynamische Übungen mit schrittweiser Erhöhung des Schwierigkeitsgrades, Einfußstand, Störung des KSP, Tai Chi, Tandem Walk, Drehungen, Pertubationen, sideways- und crossover walks, dual tasking Aufgaben etc. ESSA, 2016
2. Krafttraining (PRT)
Die Muskelkraft und Power sind zwei Schlüsselfaktoren, um eine "protective response" zu entwickeln. Die "protective response" erklärt warum viele Stürze nicht in Frakturen enden. S. R. Lord, O. Benichou 2016
Ein PRT sollte durchgeführt werden, weil es protektiv gegen Knochenschwund helfen kann und die Muskulatur erhöht. Voraussetzung für die Wirkung des PRTs auf das Skelett ist die hohe zu wählende Intensität. 8 Übungen pro Einheit welche die großen Muskelgruppen betreffen. Alle drei Risikogruppen (niedrig, moderat, hoch) bekommen die gleichen Empfehlungen für PRT.
Intensität: Hoch ; (80-85% 1RM); >16 Borg Skala Frequenz: 2 d/wk Volumen: 2-3 Sätze à 8 Wdh.
Übungen: Ausfallschritte, Kniebeugen, Kreuzheben, Rückenstrecker, Reverse chest fly, Hüft Abduktion/Adduktion, Hip Thrust, Bauchübungen etc... "Counter to the traditional notion that high-intensity loading places osteoporotic bone at acutely increased risk of fracture, emerging evidence in osteopenic and osteoporotic women over 60 years of age (mean age 66.1 years, mean T-score <-2,2 at the spine) indicates that high load PRT and moderate impact loading may not only improve bone mass and reduce kyphosis, but be safe and well-tolerated in this population." ESSA, 2016
3. Stoßbelastungen (Impakttraining)
Niedriges Risiko : Hohe Stoßbelastung (>4 bodyweigth BD)) Frequenz= 4-7 T /W Umfang= 50 Sprünge/Session; 3-5 Sätze a 10-20 Spr. (1-2min. rest) Anstrengende Sprünge, Sternsprung, high vertical jumps, tuck jumps, drop landings bei Sportarten wie Volleyball, Basketball, Ballet etc.
Moderates Risiko : Intensität: Moderate bis hohe Stoßbelastung (>2 BW) Frequenz: 4-7 T/W Umfang: 50 Sprünge/Session; 3-5 Sätze a 10-20 Spr. (1-2min. rest) Laufen, Stride jumps, Springseil, Volleyball, Medizinball etc.
Hohes Risiko : Intensität: Moderate Stoßbelastungen (2-3 BW), innerhalb der Schmerzreaktion Frequenz: 4-7 T/W Umfang: Ziel ist es, im Laufe der Zeit bis zu 50 Wiederholungen durchzuführen; 5 Sätze mit 10 Wdhs mit 1-2 min Pause zw. den Sätzen. (Patienten mit hohem Risiko benötigen ein gewisses Kraftniveau, um ein Impakttraining ausführen zu können.)
Kontraindikationen:
Individuen mit Keilwirbelbildung/vertebraler osteoporotischer Kyphose, sollten tiefe Vorwärtsflexionen bei Krafttrainingsübungen zu Beginn meiden. Bei Aktivitäten mit hohen Stoßbelastungen , explosiven und abrupten Aktionen (Golf, Schlagsportarten) sind möglicherweise kontraindiziert für Patienten mit hohem Risikograd ESSA, 2016
Schöner Artikel und gute Übersicht! Ich möchte mir erlauben eine Anmerkung zu diesem Satz als Gedankenanstoß hierzulassen:"Bisphosphonate [...] Sie haben sich alle als wirksame Wirkstoffe bei der Behandlung von Osteoporose in postmenopausalen Frauen gezeigt."
Die Wirksamkeit der meisten pharmakologischen Mittel, die zur Therapie der Osteoporose haben eine dürftige Wirksamkeit. Meistens werden sie zugelassen, weil sie klassische Surrogate-Marker wie BMD verbessern, den Patienten aber weder in puncto Lebensqualität noch in puncto Hüftfrakturen reduzieren helfen können und oftmals unter externer Validität leiden. Surrogate-Marker bezeichnet objektiv erhebbare Parameter, die sich für Studien zwar schön auflisten lassen aber dem Patienten letzendlich egal sind. Frau Müller ist ihre Knochendichte egal, sie möchte sich nicht die Hüfte brechen, wenn sie stürzt und sie möchte keine Schmerzen…