Definition:
Frakturen sind eine Kontinuitätsunterbrechung des Knochens in zwei oder mehrere Fragmente. Sie entstehen durch eine Überschreitung der mechanischen Belastbarkeit bei direkten oder indirekten Gewalteinwirkungen.
Gewalteinwirkungen:
direkt: Schlag, Stoß
indirekt: Drehung, Biegung
Auch gibt es Sonderfälle, bei denen Knochen nicht vollständig oder durch geringe Gewalteinwirkung brechen.
Grünholzfraktur: Knochen ist in seiner Kontinuität unterbrochen, Periost ist intakt (bei Kindern vor Abschluss des Knochenwachstums
Spontanfraktur: Knochen bricht ohne Auftreten eines adäquaten Traumas (z.B. bei Tumoren, Osteoporose etc.) =pathologische Fraktur
Ermüdungsbruch: chronische Überlastung führt zu nachlassender Stabilität des Knochens (z.B. bei Fehlstellungen, erhöhter Aktivität; Marschfraktur)
Einteilung:
nach Bruchform:
Querfraktur: Frakturlinie verläuft gerade, nahezu senkrecht zum Knochenschaft
Schrägfraktur: Frakturlinie um mindestens 30° gekippt
Biegungsfraktur: Y-förmiger Frakturverlauf mit keilförmigen Fragment auf der Seite der einwirkenden Gewalt
Spiralfraktur: Torsionstrauma bewirkt spiralförmige Frakturlinie
Segmentfraktur: zwei parallele Querfrakturen an einem Knochen
Mehrfragmentfraktur: Fraktur mit mehr als drei Knochenfragmenten
4-6 Fragmente = Mehrfragmentfraktur
>6 Fragmente = Trümmerfraktur
Gelenkfraktur: Frakturlinie im Gelenkbereich, Schädigung des Gelenkknorpels
Abrissfraktur: Abriss/Abscherung von Knochenvorsprüngen, oft auch mit Dislokation durch den Zug ansetzender Muskulatur
Fissur: Auch Haarriss, unvollständige Unterbrechung der Knochenstruktur
nach Lokalisation:
Schädelfraktur
Humerusschaftfraktur
Tibiakopffraktur
Calcaneusfraktur
...
nach Stellung der Frakturenden:
dislozierte Fraktur
nicht-dislozierte Fraktur
nach Gelenkbeteiligung:
intraarticuläre Fraktur
extraartikuläre Fraktur
nach Integrität der bedeckenden Weichteile:
geschlossene Fraktur
offene Fraktur
Bei geschlossenen Frakturen liegt zwar eine Schädigung der umliegenden Weichteile vor, der Weichteilmantel ist jedoch intakt. Bei einer offenen Frakturen ist der Weichteilmantel durchtrennt, der Frakturspalt ist kontaminiert!
Symptome:
Die Symptome einer Fraktur werden als Frakturzeichen bezeichnet. Man unterscheidet sichere und unsichere Frakturzeichen
sichere Frakturzeichen:
Achsenfehlstellung des Knochen (Dislokation)
Krepitation ("Knirschgeräusche")
abnorme Beweglichkeit
sichtbare Fragmente bei offenen Frakturen
unsichere Frakturzeichen:
Schmerz (Dolor)
Schwellung (Tumor)
Hämatom (Rubor)
Bewegungseinschränkung (Functio laesa)
Diagnose:
Neben der klinischen Untersuchung ist das Anfertigen von Röntgenbildern in mehreren Ebenen das wichtigste Diagnoseverfahren. Komplizierte, intraarticuläre und Mehrfragmentfakturen können durch CT-Aufnahmen genauer beurteilt werden. Benachbarte Band- und Weichteilstrukturen können durch ein MRT dargestellt werden.
Radiologische Frakturzeichen:
Unterbrechung der Corticalis
Aufhellungslinien
Stufenbildung
Zerstörung der Trabekelstruktur
Fragmentdislokation
Frakturheilung:
Findet in verschiedenen Phasen statt
Verglichen mit anderen Geweben beschleunigt (van der Berg, 2003)
Einteilung in primäre und sekundäre Frakturheilung
primäre Frakturheilung:
Voraussetzung: Periost intakt oder Frakturenden in Kontakt (Frakturspalt <2mm)
Ablauf ohne sichtbare Kallusbildung
Einwachsen von kapillarreichen Bindegewebe in engen Frakturspalt → Osteoblasten aus Endost und Periost lagern sich um Kapillaren an → bilden Osteone, parallel zur Bruchoberfläche → Umstrukturierung hin zur Längsachse des Knochens durch den Erosionstunnel → Funktionsfähigkeit des Knochens nach ca. drei Wochen wiederhergestellt
sekundäre Frakturheilung:
Bildung eines Kallus
Ablauf in fünf Phasen
Verletzungsphase (Fraktur): Gewalteinwirkung auf Knochen → Verletzung von Periost, Corticalis, Knochenmark → Hämatom im Frakturspalt
Entzündungsphase: Infiltration von Makrophagen, Granulocyten, Mastzellen → sondern Histamin und Heparin ab → im Hämatom vorkommende Stammzellen differenzieren zu Osteoblasten, Fibroblasten und Chondroblasten aus
Granulationsphase: Hämatom mit Netz von Fibrin und Kollagen wird durch Granulationsgewebe mit Fibroblasten, weiterem Kollagen und Kapillaren ersetzt (nach ca. 4-6 Wochen) → Osteoklasten bauen nicht durchblutetes Knochengewebe ab → Osteoblasten bauen neuen Knochen im Bereich des Periost auf → "weicher Kallus"
Mineralisierungsphase: Aushärtung des gebildeten Kallus → Entstehung des Geflechtknochen → Struktur orientiert sich an Richtung der Belastungsachse → Erreichen der physiologischen Belastung (nach ca. 3-4 Monaten)
Remodellierungsphase: Geflechtknochen wird in Lamellenknochen umgewandelt → Wiederherstellung der Struktur des Havers- und Volkmann-Kanalsystems → Abschließend Wiederherstellung ursprünglicher Knochenstruktur mit Markraum (nach ca. 6-24 Monaten)
Therapieverfahren:
konservative Therapie: Frakturspalt <2mm, extraarticuläre, geschlossene Frakturen
Ruhigstellung mit Gipsverband
Reposition von geschlossenen Frakturen
Vorteile: kein Operationsrisiko, keine weitere Gewebsschädigung
Nachteile: Reposition nicht immer exakt möglich, Gefahr von Immobilisationsschäden
operative Therapie: dislozierte Frakturen, intraarticuläre Frakturen, offene Frakturen
verschiedene Osteosyntheseverfahren
Schraubenosteosynthese
Plattenosteosynthese
Zuggurtungsosteosynthese
Marknagelung
Fixateur externe
...
Vorteile: exakte Reposition, keine Immobilisationsschäden, schnelle Belastbarkeit, Bewegungsstabilität
Nachteile: Gewebeschäden durch Operation, Narkoserisiko, Infektionsrisiko
Komplikationen:
Verletzungen von Nachbarstrukturen (Organe, Nerven, Blutgefäße, Gelenke)
Blutverlust mit hypovolämischen Schock
Kompartmentsyndrom
Fettembolie
Infektionen
Nekrosen
CRPS
Quellen:
https://flexikon.doccheck.com/de/Fraktur?utm_source=www.doccheck.flexikon&utm_medium=web&utm_campaign=DC%2BSearch (Letzter Zugriff: 30.12.2021)
Comments